Re: Fußball - National
Verfasst: Sa 25. Jan 2025, 12:14
Ehrengast Infantino? Der DFB hat sich den Trump-Fanboy eingeladen
Was ein gelungener Jubiläums-Festakt in Leipzig mit der großen Weltpolitik zu tun hat – und mit dem Versuch, den Fußball zu spalten.
Der Deutsche Fußball-Bund hat am Freitagabend in würdigem Rahmen sein 125-jähriges Bestehen gefeiert. Der Bundeskanzler, der angekündigt hatte, sich in seinem Grußwort kurzzufassen, fasste sich in seinem Grußwort kurz. Die obligatorischen Einspielfilme – vier WM-Titel bei den Männern, zwei WM-Titel bei den Frauen! – gerieten nicht zur tumben Heldenverehrung, sondern offenbarten sogar eine Spur Selbstironie. Der Frauenfußball, den der DFB noch bis 1970 (!) als unschicklich abgelehnt hatte, war in der Leipziger Kongresshalle am Zoo angenehm gleichberechtigt vertreten. Und was für ein Coup, dass man dem Bundestrainer Julian Nagelsmann kurz vor dem Festakt eine Vertragsverlängerung bis 2028 abgerungen hatte! Auch die dunklen Stunden des Verbandes wurden erwähnt … nein: nicht die Intrigen und Affären der vergangenen Jahre, die bis in die Gegenwart nachwirken, weshalb sich im Publikum gleich eine Handvoll gescheiterter Ex-Präsidenten und Ex-Interimspräsidenten versammelten. Sondern die Unterwerfung im Dritten Reich, als sich auch der DFB „mit einem menschenverachtenden System gemein gemacht“ hatte, woran der aktuelle Präsident Bernd Neuendorf notwendigerweise noch mal erinnerte. An den Kanzler gewandt, bat Neuendorf die Politik angesichts verfallender Sportanlagen und eines überbürokratisierten Ehrenamts, „die schönste Nebensache der Welt nicht wie eine Nebensache zu behandeln“ – auch das ein berechtigter Appell. Und am Ende brachte der warmherzig durchs Programm führende Michael Steinbrecher sogar Lothar Matthäus dazu, etwa Nettes über Jürgen Klinsmann zu sagen, und umgekehrt.
Was allerdings selbst Steinbrecher nicht schaffte, weil er es gar nicht erst versuchte: dass die Ehrengäste Gianni Infantino und Aleksander Čeferin etwas Nettes über den jeweils anderen sagten. Das Aufeinandertreffen der beiden mächtigsten und zugleich wohl verfeindetsten Männer des Weltfußballs war die sportpolitische Begleitmusik der stolzen Geburtstagsfeier – und hier kam es auf die Zwischentöne an. Fifa-Chef Infantino gab in Leipzig den jovialen Plauderer. Die von seinem Pressestab ausgearbeitete Festrede habe er einfach weggeworfen, sagte er, und hangelte sich stattdessen vom „Wunder von Bern“ bis zum „Sommermärchen“ und wieder zurück. Fußball vereint die Welt, „und das ist es, was auch die Fifa und ich jeden Tag versuchen“. Schon klar. Infantino fühlt sich übrigens gerade nicht mehr schwul, arabisch, behindert oder als Arbeitsmigrant, wie noch in seiner legendären Rede zum Beginn der WM 2022 in Katar. Er fühlt sich dafür dem US-Präsidenten Donald Trump ganz nah, dessen Amtseinführung im Kapitol in Washington er vergangenen Montag aus nächster Nähe beklatschen durfte, Feudalherrscher unter sich. Uefa-Präsident Čeferin hingegen hielt eine Rede, die nach allerlei Lobpreisungen deutscher Innovationskraft auf eine sorgsam gesetzte Botschaft zusteuerte. Immer mehr Regierungen würden derzeit Diskriminierung und Hass das Wort reden, sagte Čeferin. Aber „der Fußball wird niemals Teil davon sein, egal, was manche Leute tun“.
Tatsächlich betreibt Infantino seit Jahren eine Art Trumpisierung des Weltfußballs, nach innen wie nach außen. Die WM 2036 in Saudi-Arabien? Ist sein ganz persönlicher Deal. Zugleich hat Infantino es sich zum Ziel gesetzt, unter dem Deckmantel der globalen Entwicklungshilfe Europas Klubfußball zu entkernen. Er protegiert im Hintergrund eine Super League jenseits der Verbandsstrukturen, er lädt Europas Topklubs zur Mega-Klub-WM, wo sie nun unter dem Dach der Fifa um einen Pokal spielen. Čeferin wiederum versucht, die Europäer im Kampf gegen die Spaltung zusammenzuhalten. Und wo steht bei alledem der DFB? Mal wieder irgendwo dazwischen. Den Fifa-Präsidenten zum Jubiläum nach Leipzig zu bitten, mag wie protokollarische Selbstverständlichkeit klingen. Zugleich begibt sich der DFB-Präsident im Kreis der europäischen Verbündeten auf dünnes Eis, wenn er ignoriert, wie verhasst Infantino vielerorts aus gutem Grund ist – und wie sehr er seinerseits Europas Fußballrepräsentanten verachtet. Auch Bernd Neuendorf konnte davon schon eine Ahnung bekommen, im vergangenen Sommer, als sich der DFB zusammen mit Belgien und den Niederlanden um die Frauen-WM 2027 bemühte, aber eine heftige Abfuhr kassierte. Stattdessen bewirbt der Verband sich nun um die Frauen-EM 2029, von der sich in Leipzig selbst der Bundeskanzler wünschte, sie möge „ein magisches Ereignis werden“. Dieses Turnier aber wird von Europäern vergeben – von denen wiederum viele mit Argwohn registrieren, wie die Deutschen mal wieder versuchen, es allen recht zu machen, ohne sich festzulegen.
Als 36 junge Männer im Januar 1900 im Leipziger Restaurant „Mariengarten“ den Deutschen Fußball-Bund gründeten, ahnten sie nicht, wofür dieser Sport 125 Jahre später mal stehen würde: für Vielfalt, Toleranz, Teilhabe, Gemeinsinn, Miteinander. Aber im Kern ist der Fußball ein Spiel mächtiger Männer geblieben.
Quelle ---> https://www.sueddeutsche.de/sport/dfb-j ... duced=true
Was ein gelungener Jubiläums-Festakt in Leipzig mit der großen Weltpolitik zu tun hat – und mit dem Versuch, den Fußball zu spalten.
Der Deutsche Fußball-Bund hat am Freitagabend in würdigem Rahmen sein 125-jähriges Bestehen gefeiert. Der Bundeskanzler, der angekündigt hatte, sich in seinem Grußwort kurzzufassen, fasste sich in seinem Grußwort kurz. Die obligatorischen Einspielfilme – vier WM-Titel bei den Männern, zwei WM-Titel bei den Frauen! – gerieten nicht zur tumben Heldenverehrung, sondern offenbarten sogar eine Spur Selbstironie. Der Frauenfußball, den der DFB noch bis 1970 (!) als unschicklich abgelehnt hatte, war in der Leipziger Kongresshalle am Zoo angenehm gleichberechtigt vertreten. Und was für ein Coup, dass man dem Bundestrainer Julian Nagelsmann kurz vor dem Festakt eine Vertragsverlängerung bis 2028 abgerungen hatte! Auch die dunklen Stunden des Verbandes wurden erwähnt … nein: nicht die Intrigen und Affären der vergangenen Jahre, die bis in die Gegenwart nachwirken, weshalb sich im Publikum gleich eine Handvoll gescheiterter Ex-Präsidenten und Ex-Interimspräsidenten versammelten. Sondern die Unterwerfung im Dritten Reich, als sich auch der DFB „mit einem menschenverachtenden System gemein gemacht“ hatte, woran der aktuelle Präsident Bernd Neuendorf notwendigerweise noch mal erinnerte. An den Kanzler gewandt, bat Neuendorf die Politik angesichts verfallender Sportanlagen und eines überbürokratisierten Ehrenamts, „die schönste Nebensache der Welt nicht wie eine Nebensache zu behandeln“ – auch das ein berechtigter Appell. Und am Ende brachte der warmherzig durchs Programm führende Michael Steinbrecher sogar Lothar Matthäus dazu, etwa Nettes über Jürgen Klinsmann zu sagen, und umgekehrt.
Was allerdings selbst Steinbrecher nicht schaffte, weil er es gar nicht erst versuchte: dass die Ehrengäste Gianni Infantino und Aleksander Čeferin etwas Nettes über den jeweils anderen sagten. Das Aufeinandertreffen der beiden mächtigsten und zugleich wohl verfeindetsten Männer des Weltfußballs war die sportpolitische Begleitmusik der stolzen Geburtstagsfeier – und hier kam es auf die Zwischentöne an. Fifa-Chef Infantino gab in Leipzig den jovialen Plauderer. Die von seinem Pressestab ausgearbeitete Festrede habe er einfach weggeworfen, sagte er, und hangelte sich stattdessen vom „Wunder von Bern“ bis zum „Sommermärchen“ und wieder zurück. Fußball vereint die Welt, „und das ist es, was auch die Fifa und ich jeden Tag versuchen“. Schon klar. Infantino fühlt sich übrigens gerade nicht mehr schwul, arabisch, behindert oder als Arbeitsmigrant, wie noch in seiner legendären Rede zum Beginn der WM 2022 in Katar. Er fühlt sich dafür dem US-Präsidenten Donald Trump ganz nah, dessen Amtseinführung im Kapitol in Washington er vergangenen Montag aus nächster Nähe beklatschen durfte, Feudalherrscher unter sich. Uefa-Präsident Čeferin hingegen hielt eine Rede, die nach allerlei Lobpreisungen deutscher Innovationskraft auf eine sorgsam gesetzte Botschaft zusteuerte. Immer mehr Regierungen würden derzeit Diskriminierung und Hass das Wort reden, sagte Čeferin. Aber „der Fußball wird niemals Teil davon sein, egal, was manche Leute tun“.
Tatsächlich betreibt Infantino seit Jahren eine Art Trumpisierung des Weltfußballs, nach innen wie nach außen. Die WM 2036 in Saudi-Arabien? Ist sein ganz persönlicher Deal. Zugleich hat Infantino es sich zum Ziel gesetzt, unter dem Deckmantel der globalen Entwicklungshilfe Europas Klubfußball zu entkernen. Er protegiert im Hintergrund eine Super League jenseits der Verbandsstrukturen, er lädt Europas Topklubs zur Mega-Klub-WM, wo sie nun unter dem Dach der Fifa um einen Pokal spielen. Čeferin wiederum versucht, die Europäer im Kampf gegen die Spaltung zusammenzuhalten. Und wo steht bei alledem der DFB? Mal wieder irgendwo dazwischen. Den Fifa-Präsidenten zum Jubiläum nach Leipzig zu bitten, mag wie protokollarische Selbstverständlichkeit klingen. Zugleich begibt sich der DFB-Präsident im Kreis der europäischen Verbündeten auf dünnes Eis, wenn er ignoriert, wie verhasst Infantino vielerorts aus gutem Grund ist – und wie sehr er seinerseits Europas Fußballrepräsentanten verachtet. Auch Bernd Neuendorf konnte davon schon eine Ahnung bekommen, im vergangenen Sommer, als sich der DFB zusammen mit Belgien und den Niederlanden um die Frauen-WM 2027 bemühte, aber eine heftige Abfuhr kassierte. Stattdessen bewirbt der Verband sich nun um die Frauen-EM 2029, von der sich in Leipzig selbst der Bundeskanzler wünschte, sie möge „ein magisches Ereignis werden“. Dieses Turnier aber wird von Europäern vergeben – von denen wiederum viele mit Argwohn registrieren, wie die Deutschen mal wieder versuchen, es allen recht zu machen, ohne sich festzulegen.
Als 36 junge Männer im Januar 1900 im Leipziger Restaurant „Mariengarten“ den Deutschen Fußball-Bund gründeten, ahnten sie nicht, wofür dieser Sport 125 Jahre später mal stehen würde: für Vielfalt, Toleranz, Teilhabe, Gemeinsinn, Miteinander. Aber im Kern ist der Fußball ein Spiel mächtiger Männer geblieben.
Quelle ---> https://www.sueddeutsche.de/sport/dfb-j ... duced=true