LVZ plus: Schmerztabletten und Finalgon: Wie Tommy Kind fast zum Pokalschreck für Lok Leipzig wurde
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Der Stürmer trotzt körperlichen Problemen und macht seinem Ex-Team das Leben schwer. Während Grimma der verpassten Sensation nachtrauert, pendeln die Lok-Reaktionen zwischen Kritik und Pragmatismus.
Grimma/Leipzig. Es war ein Pokalabend, gemacht für Helden aus der Tiefe des Raumes. Tommy Kind schien die Hauptrolle auf den Leib geschnitzt. Im Dress des FC Grimma hätte der bei Lok Leipzig ausgebildete Offensiv-Routinier sein Ex-Team beinahe aus der Umlaufbahn geworfen. Es blieb beim Konjunktiv. Lok wackelte sich im Husarensportpark zum 2:0-Erfolg, zog mit einem blau-gelben Auge ins Sachsenpokal-Finale ein. Danach gingen Leid und Kritik eine formvollendete Symbiose ein.
Abseitstor geschossen, aus fünf Metern per Kopf an Lok-Schlussmann Niclas Müller gescheitert. Tommy Kind haderte mit sich und der Fußballwelt. „Wir müssen in der ersten Halbzeit irgendwie ein Tor machen“, sagte der 35-Jährige, der nur mit drei Schmerztabletten und einer dicken Schicht Finalgon überhaupt auflaufen konnte. Die Leiste bereitet ihm arge Probleme. Das erklärt wohl auch, warum der Sturmtank längst nicht mehr so austrainiert wirkt wie zu seinen Glanzzeiten (30 Oberliga-Tore in 28 Spielen in der Saison 2021/22 für den VfL Halle). Dennoch war Kind die wandelnde Gefahr, gewann gefühlt jedes Kopfballduell gegen die nicht gerade kleinen Leipziger Innenverteidiger Laurin von Piechowski (1,93 m) und Lukas Wilton (1,86 m).
Vergebliche Suche nach dem Metronom
Grimmas Coach René Behring trauerte den verpassten Chancen nach: „Wir müssen zwingend das 1:0 machen und dann sind wir alle gespannt, wie es in der zweiten Halbzeit weitergeht.“ Sie machten jenes vermaledeite nur eben 1:0 nicht. Das fiel auch Alexander Siebeck auf, der hinterher Pragmatisches zu Protokoll gab: „Dafür haben wir ja einen Torhüter, dass er auch mal einen Ball hält.“ In der Tat war Keeper Müller einer der wenigen Leipziger in Normalform. Taktgeber Siebeck und seine Teamkollegen suchten an diesem Abend meist vergeblich ihr Metronom.
Lok-Legende Achim Steffens, als Gast auf der VIP-Terrasse, schüttelte sich ebenfalls: „Die erste Halbzeit war dünne von uns.“ Warum dennoch am Ende die Probstheidaer mit ihren 1000 mitgereisten Fans jubelten? Ein weiterer Routinier auf Grimmaer Seite erkannte den Kern des Problems. „Wir waren nicht effizient genug, sind an Nuancen gescheitert“, sagte Stefan Schumann, inzwischen zarte 40. Wie man effizient die Nuancen nutzt, zeigten die Blau-Gelben kurz nach dem Seitenwechsel. Tobias Dombrowa und Laurin von Piechowski netzten erbarmungslos ein. Binnen 120 Sekunden schien der Fall gelöst. Von wegen!
Selbstkritik und der richtige Zeitpunkt
Selbst mit der 2:0-Führung im Rücken wirkte Lok bisweilen seltsam fahrig und anfällig in der Defensive. In der Schlussphase torkelten die Gäste mehrfach orientierungslos durch den eigenen Strafraum. Ein Grimmaer Kopfball aus drei Metern pinselte Zentimeter über die Querlatte. Wenig später drosch der aufgerückte Schlussmann Christopher Hauswald das Leder aus gut 25 Metern ins Netz. Es war allerdings nur das Fangnetz.
„Ab der 85. Minute haben wir nochmal gezittert“, hatte das aus dem Takt geratene Metronom Siebeck bemerkt und schob die nächste pragmatische Bemerkung nach: „Wir haben zur richtigen Zeit die Tore gemacht“. In diesem Fall kurz nach der Halbzeit. Freilich konnte dieser Auftritt in seiner Gänze dem Regionalliga-Primus nicht schmecken. Entsprechend kritisch fiel die Analyse aus.
Kind deutet Karriereende an
„Mit der Art und Weise bin ich nicht zufrieden, aber wir haben das Ding irgendwie über die Runden gebracht“, befand Jochen Seitz. Trainerlegende Achim Steffens ergänzte: „Das war mehr Arbeit als erwartet. Zum Schluss wurde es noch mal ein bissel eng. Aber so sind Pokalspiele eben, da wird es schnell hitzig.“ Insgesamt blieben die Akteure auf dem Rasen bis auf ein, zwei Szenen aber bemerkenswert cool, überließen die Hitze der mächtigen Frühlingssonne.
Für Grimma blieb es, trotz Lob von allen Seiten, ein Pokalabend im Konjunktiv. Denn wer weiß, wie lange das mit dem angeknacksten Sturmführer noch funktioniert. „Für mich persönlich ist es doppelt bitter, weil es das so für mich wahrscheinlich nicht mehr geben wird“, erzählte Tommy Kind. Läuft es auf ein Karriereende am Saisonende hinaus? „Abwarten, was mein Körper und meine Familie sagen.“ Auf Dauer sind Schmerztabletten keine Lösung, steht in der Gebrauchsanweisung.
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