Trainer: Kader, Aufstellung & Taktik:Viele hier üben (teils sehr harsche) Kritik am Trainer. Transfers, Taktik, Aufstellung, Einstellung – alles macht er falsch und überhaupt ist alles zu sehr auf ihn zugeschnitten und ein anderer (wer auch immer…) würde es viel besser machen. Kritik muss natürlich erlaubt sein, aber:
Ich wünsche mir mehr Objektivität und Fairness!Ich behaupte mal: In unserer gegenwärtigen Situation ist Almedin Civa fast der bestmögliche Trainer, den wir haben können. Ich will nicht abstreiten, dass Civa manchmal etwas eigenwillig rüberkommt und es wahrscheinlich auch ist. Aber mit Sicherheit ist er ein großer Fußballfachmann. Egal wo ich mich umhöre: Er redet nicht nur daher, er arbeitet auch hart (morgens der Erste, abends der Letzte – war bei weitem nicht bei jedem Coach in der Vergangenheit so), kümmert sich auch um Details, sieht das große Ganze und mosert nicht rum, wenn der Etat für mehr nicht reicht. Er macht ein gutes Training, hat eine ordentliche Ansprache, erreicht die Spieler (gab es auch Trainer, bei denen das nicht so war). Analyse, Scouting, Transfers: Er macht das alles – und das ist auch gut in unserer Situation. Wir können uns keine drei oder vier Spezialisten leisten. Trainer, Sportdirektor, Kaderplaner, Video-Analyst – dafür reicht unser Budget (um Längen) nicht. Insofern ist es ein Riesen-Glück, dass Civa alles in einem ist (bei einigen Trainern in der Vergangenheit wurden längst nicht all diese Felder wirklich adäquat bearbeitet).
Thema Kader: Was wird hier nicht alles kritisiert. Die Falschen weggeschickt, die Falschen verlängert, die Falschen geholt – wiederum eigentlich alles falsch gemacht. Für mich objektiv gesehen (zumindest zurzeit nach drei Spieltagen) absolut unverständlich. Zuerst die Transfers: Wo soll da der Fehler sein? Welcher der
Abgänge fehlt uns wirklich? Mit Sicherheit Paul Schinke in Bestform. In die wäre er aber meiner Meinung nach nicht mehr gekommen nach einem Dreivierteljahr ohne Fußball. Und ganz billig (und pflegeleicht) war er auch nicht. Also ein verständlicher Abgang. Boakye war nicht mehr als ein Mitläufer. Genauso wie Jäpel. Für mich unverständlich, wie der von manchen hier hochgejazzt wird. Hatte in der letzten Saison auf Linksaußen ein wenig Licht, aber eben auch viel Schatten. Teilweise merkwürdige Laufwege, technisch limitiert und wirkte zudem nie wirklich austrainiert. Hat bei Chemie nach zwei Spielen seinen Startelf-Platz auch erstmal verloren. Für mich kein Verlust. Gies hätte ich persönlich gerne gehalten, aber er wollte wohl nicht nochmal um die Nummer Eins kämpfen. Stendera hat Potential, aber kann diese Saison (letztes Vertragsjahr) nicht nochmal verliehen werden und für eine feste Verpflichtung ist er im Preis-Leistungs-Verhältnis einfach zu teuer.
Die
Zugänge sind im Rahmen unserer Möglichkeiten aus meiner Sicht vollkommen okay. Sievers muss was können – sonst hätte er niemals beim FCK 2. und 3. Liga gespielt. Was ihm fehlt ist Spielpraxis und damit Sicherheit. Für mich ziemlich sicher ein Upgrade zu Gies. Rangelov hat in Babelsberg schon gezeigt, dass er was kann und er ist noch jung. Upgrade zu Boakye. Stichwort Potential: Bei Voufack und Ogbidi sehe ich große Entwicklungsmöglichkeiten – beide sind noch sehr jung, aber man sieht, dass die Basics da sind. Klares Upgrade zu Schneider und Jäpel. Schlicht ist eine sinnvolle Ergänzung in der Breite – ein Schinke in Bestform ist er natürlich (bei weitem) nicht.
Hervorzuheben ist, dass unsere Neuen sicherlich alle eher für einen schmalen Taler gekommen sind. Hier sind ja auch viele, die nach ganz anderen Kalibern rufen: Warum haben wir keinen Beck, Geurts, Pronichev oder Brügmann verpflichtet? Ganz einfach:
Die sind zu teuer! Auch wenn wir einen Profikader haben, gibt es einfach Vereine, die (deutlich) höhere Gehälter zahlen können. Jena, Cottbus, Chemnitz, BFC Dynamo und Altglienicke. Da hilft es auch nicht, nach dem ultimativen Beweis zu fragen – kein Verein wird seine Verträge offenlegen. Aber wir haben ja bspw. bei Zickert einen Einblick bekommen, wieviel Geld woanders lockt. Man muss sich auch nicht weit aus dem Fenster lehnen, um zu sagen, dass z.B. ein Beck beim BFC mit Sicherheit ein fünfstelliges Brutto-Monatsgehalt (+Prämien) bekommt – und damit wahrscheinlich mehr kostet als alle unsere Sommer-Neuzugänge zusammen.
Bei den
Vertrags-Verlängerungen kann man sicherlich hier und da diskutieren. Aber dass bspw. ein Heynke gehalten werden konnte, ist keinesfalls selbstverständlich. Insgesamt haben wir sicherlich keinen Top-Kader, aber doch eine solide (und flexible) Mannschaft, in der vor allem viele Spieler sind, die zwar schon Qualität haben, die aber vor allem noch riesiges Entwicklungspotential besitzen (Heynke, Sirch, Mehmedovic, Piplica, Rangelov, Ogbidi, Voufack).
Manch einer kritisiert ja auch, dass Civa nur Spieler mit Babelsberger Vergangenheit verpflichten würde. Ein Blick auf die Fakten zeigt, dass das nicht so ist. Von 21 Spielern im Kader (15 die Civa verpflichtet hat) sind gerade einmal vier Spieler mit Babelsberger Vergangenheit.
Thema Aufstellung: Egal was Civa hier macht: Er wird immer kritisiert. Ist vielleicht auch normal – so ist das nun mal im Fußball, da ist jeder Fan ein kleiner Trainer. Am Ende ist es aber so, dass nur Civa und sein Co-Trainer die Spieler jeden Tag im Training sehen. Und den Gegner scouten und so über dessen Stärken und Schwächen am Besten Bescheid wissen. Und dann eben die aus ihrer Sicht für das jeweilige Spiel bestmögliche Startelf rausschicken. Natürlich klappt dann nicht immer alles – aber auch das ist normal im Fußball:
Treffen zwei Teams aufeinander, führt in der Regel der Matchplan von mindestens einer Mannschaft nicht zum Erfolg. Civa zu unterstellen (das kommt bei einigen so durch), er würde absichtlich nicht die beste Truppe auf den Platz stellen, ist hanebüchen. Warum sollte er das tun? Warum sollte irgendein Trainer im Profibereich das tun? Es geht auch um seine Reputation, um seine Prämien, um seinen Job, um seinen nächsten Vertrag!
Abenteuerlich wird es für mich auch dann, wenn Hinweise kommen, die fachlich einfach völlig daneben sind. Bspw. dass Rangelov oder Ogbidi statt Nattermann im Sturmzentrum spielen sollten. Das ist im jetzigen 4-2-3-1-System einfach unsinnig, weil beide keine Mittelstürmer sind, keine Zielspieler. Wenn schon Nattermann Probleme hat, Bälle fest zu machen und sich gegen körperlich starke Innenverteidiger zu behaupten – wie sollen dann die eher kleinen und schmächtigen Rangelov oder Ogbidi das machen?
Thema Taktik & Spielweise:Einige schreiben hier, sie können nicht erkennen, was Civa spielen lassen will. Hä?! Andere wiederum erkennen zwar die Spielweise, wollen aber lieber was Anderes - was genau, bleibt aber zumeist auch unklar.
Egal ob 4-2-3-1 oder 3-5-2 (seine beiden favorisierten Systeme) – Civa lässt bei gegnerischem Ballbesitz intensiv pressen und will bei eigenem Ballbesitz Fußball
spielen lassen. Dabei wird aber
nicht nur hinten raus kombiniert, sondern sind bspw. auch lange Diagonalbälle ein Mittel der Wahl, das man oft sieht. Ich persönlich finde diese Grundidee gut, wenn man langfristig oben angreifen will.
Was wären die Alternativen? 1. Viele lange Bälle, hoffen das einer davon durchkommt oder auf zweite Bälle gehen (der BFC spielte gegen uns so). Dafür braucht man physisch überlegene Spieler, die wir nicht haben. Haben wir zudem unter Scholz mehr oder weniger so gespielt und war weder schön noch erfolgreich (gemessen am Etat). 2. Generell hoch pressen und dann sofort mit so wenigen Kontakten wie möglich nach vorne. Funktioniert mutmaßlich gegen mitspielende Teams, aber wenn sich der Gegner hinten reinstellt, läuft es meistens nicht. Jena spielt aktuell so und hatte gegen uns keine echte Torchance.
Natürlich sollte man die Spielweise auch an den jeweiligen Gegner anpassen können. Aber egal welches System und welche Spielweise – in der Grundausrichtung zwischen Offensive und Defensive muss ich Chancen und Risiken gegeneinander abwägen und
eine vernünftige Balance finden. Grob gesagt: Je stärker der Gegner ist, desto größer wird das Risiko, wenn ich zu offensiv agieren lasse. Je schwächer der Gegner ist, desto offensiver kann ich spielen lassen, ohne bei jedem Ballverlust Gefahr zu laufen, selbst ins Schwimmen zu geraten. Ganz plakativ: Gegen Rathenow kann ich ohne Probleme nach vorne spielen lassen und richtig ins Risiko gehen, gegen Leverkusen sollte ich das eher nicht tun.
Oder eben gegen Jena. Civa wird unterstellt, dass er Jena unnötig stark geredet hat, Jena sei ja gar keine Spitzenmannschaft usw. Komischerweise haben 15 von 19 Regionalliga-Trainern vor der Saison Jena als Favoriten genannt (die meisten Nennungen).
https://www.fussball.de/newsdetail/hauen-und-stechen-um-nordost-titel-erwartet/-/article-id/229949#!/Sind das alles Blinde? Und wer die ersten beiden Spiele von denen im Zusammenschnitt gesehen hat weiß, dass das sehr unglückliche Niederlagen waren mit sehr vielen Torchancen für Jena. Die Sturmreihe von denen ist qualitativ hervorragend besetzt, vor allem sauschnell. Jenas Spielstil bisher war hoch pressen, Bälle gewinnen und schnell nach vorne spielen. Warum soll Civa gerade gegen die auf Risiko setzen? Zumal eigentlich zu erwarten war, dass Jena nach zwei Niederlagen zum Auftakt selbst was tun muss und sich so für uns im Laufe des Spiels mehr und mehr Räume bieten. Klar war das Spiel letztendlich für die Zuschauer nicht schön anzusehen. Aber wir standen über weite Strecken in der Defensive bombensicher und holen gegen einen der Liga-Favoriten einen Punkt. Da wir – im Gegensatz zu Jena – auch Chancen hatten, hätten es mit etwas mehr Glück sogar drei Punkte sein können. Wenn Jena uns auskontert, dann stehen wir mit leeren Händen da und alle schreien, wie naiv wir waren, so offensiv zu agieren.