Re: DFB-Pokal
Verfasst: Mo 12. Aug 2019, 12:35
Die angebliche Hetzjagd auf Clemens Tönnies
Elfmeterschießen ist doch keine Lotterie, die HSV-Fans umarmen Bakery Jatta und Schalke findet keinen Umgang mit dem Fall Clemens Tönnies. Alles zur ersten Pokalrunde.
Gab es genügend Überraschungen?
Die erste Pokalrunde ist nur schön, wenn genügend Bundes- oder Zweitligisten gegen Halbprofis oder Dorfkicker rausfliegen. Diesmal erwischte es immerhin zwei Erstklassige. Der FC Augsburg verlor beim SC Verl (bei Bielefeld) 1:2. Der Viertligist war die bessere Mannschaft, der Bundesligist brachte nur ein Elfmetertor zustande. Und Mainz schied im Rheinland-Pfalz-Derby in Kaiserslautern mit 0:2 aus. Die Roten Teufel ließen sich bei ihrer Feier nicht dadurch stören, dass sie vom Fifa-Schiedsrichter Felix Zwayer einen Elfmeter geschenkt bekommen hatte. Auch zwei Zweitligisten erwischte es. Fürth unterlag beim klassentieferen Duisburg 0:2. Regensburg konnte im Saarbrücker Regen eine 2:1-Führung nicht nutzen und nahm in der Nachspielzeit das 2:3 gegen den Regionalligisten hin. Die Heimfans gerieten aus dem Häuschen und jubelten mit ihren Schirmen. In den anderen Spielen setzten sich die Favoriten durch, allerdings wurde es oft knapp. Gladbach, Leipzig, Paderborn, Köln, Nürnberg, Hamburg, Hoffenheim, Düsseldorf und Köln gewannen jeweils nur mit einem Tor Vorsprung oder in Verlängerung oder Elfmeterschießen. Vielleicht erwischt es ja an diesen Montagabend noch die Bayern in Cottbus.
Welches Spiel war das coolste?
Waldhof Mannheim gegen Eintracht Frankfurt. In den Achtzigerjahren war der SV Waldhof ein Kultclub in der Bundesliga. Trainiert wurde die Mannschaft vom Pepitahutträger Klaus Schlappner, der 1968 aus Protest gegen die 68er für kurze Zeit in die NPD eintrat. Aus der Waldhof-Schule kamen Nationalspieler wie Jürgen Kohler, Christian Wörns und Maurizio Gaudino. Nach einem Absturz in den Amateurfußball ist Mannheim inzwischen wieder in der Dritten Liga. Gegen die Eintracht ging Waldhof, im schönen traditionellen Hellblau, erst 2:0, dann später 3:2 in Führung. Es war nur noch eine Viertelstunde bis zur Sensation, doch dann zeigte Frankfurts Vizeweltmeister Ante Rebić seine Stärken. Er erzielte einen Hattrick, wobei der letzte Treffer zum 3:5 besondere Finesse hatte. Erst ließ der Kroate mit einer Finte den Tormann stehen, dann, mit einer weiteren, noch einen Abwehrspieler ins Leere grätschen. Gute Stimmung auch in den Kurven. Das lag weniger am Leichtbier, das in Mannheim ausgeschenkt wurde, sondern mehr an der Fanfreundschaft zwischen den beiden Vereinen. Die sich, weniger romantisch, aus dem Hass auf Offenbach speist.
Wer stand im Blickpunkt?
Bakery Jatta. Der HSV-Profi, der 2015 als Flüchtling nach Deutschland kam und sich jünger gemacht und seinen Namen geändert haben soll, stand in der Anfangself beim Spiel in Chemnitz. Die Hamburger Fans applaudierten, als sie davon im Stadion erfuhren. Kapitän Aaron Hunt, der den gleichen Berater hat wie Jatta, schrieb zuvor auf Instagram: "Hier wird ein Profi vorverurteilt, der eigentlich nie eine Chance hatte und sie trotzdem nutzte. Der auf der Flucht war, um ein Stück von dem zu erleben, was für uns normal ist." Seine Kritik zielte auf Bild und Sport Bild, die vergangene Woche festgestellt haben wollten, dass Jatta eigentlich Daffeh heißt und zwei Jahre älter ist. Ob das stimmt und was die Gründe dafür sein könnten, ist bislang nicht klar. Unter den Fans scheint sich die Auffassung durchgesetzt zu haben, dass es egal ist, wie Jaffa/Daffeh heißt, wo er vorher gespielt hat und wie alt er ist. Hauptsache, er ist ein wichtiger Teil des HSV. Solidarität erlebte auch Daniel Frahn. Der Chemnitzer FC hatte sich vorige Woche von seinem Kapitän getrennt, weil der einer rechtsextremen Fangruppe nahesteht. Immer wieder erklangen im Stadion Sprechchöre auf Frahn. Es war auch "Widerstand" zu hören. Fußball wurde auch gespielt: Der HSV siegte auch hier.
Worüber reden nach dem Wochenende alle?
Über Clemens Tönnies, den eigenen Worten zufolge praktizierenden Großwildjäger. Erwartungsgemäß protestierten viele der nach Drochtersen gereisten Schalker Fans gegen den Aufsichtsratschef sowie die Milde des Schalker Ehrenrats mit Tönnies und seiner Bemerkung über "Afrikaner, die, wenn es dunkel wird, Kinder produzieren". Auf Hunderten von Bannern war zu lesen: "Wir zeigen Tönnies die Rote Karte." Der neue Schalker Sportvorstand Jochen Schneider äußerte einerseits Verständnis für die Fans, warnte aber vor einer "Hetzjagd". Dieses durch Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen belastete Wort ist nun in der Bundesliga angekommen – und Schneider beschrieb damit einen friedlichen Protest. Der Fall Tönnies weitet sich aus, inzwischen gilt die Empörung auch dem hilflosen Umgang der Vereinsführung mit dem Thema, die offenbar aus Tönnies das Opfer machen will. Tönnies schwieg am Wochenende, sodass seine viertelherzige Entschuldigung kurz nach seiner Rede vor der Handwerkskammer Paderborn-Lippe seine einzige Wortmeldung bleibt. Hans Sarpei hingegen führt die Debatte fort: "Natürlich kann man sich entschuldigen", schrieb der in Ghana geborene Schalker Ex-Profi auf Twitter, "aber dann sollte man es auch bei denjenigen machen, die man rassistisch in Kolonialmanier beleidigt, und nicht bei Dritten. Sorry, Jochen Schneider, aber diese Äußerung ist einfach nur schlecht und uninformiert."
Welche Lehre zieht man aus dem Wochenende?
Elfmeterschießen ist doch keine reine Glückssache oder Lotterie, wie es immer heißt. In fünf Versuchen setzten sich fünf Mal die klassenhöheren Mannschaften durch. Hoffenheim in Würzburg, Hamburg in Chemnitz, Köln in Wehen, Paderborn in Rödinghausen und St. Pauli in Lübeck. Ist ja auch eigentlich keine Überraschung, denn bessere Fußballer schießen in der Regel nun mal bessere Elfmeter, stärkere Tormänner halten in der Regel mehr Elfmeter als ihre schwächeren Konkurrenten. Vielleicht ist es für den Kleineren also keine gute Strategie, sich ins Elfmeterschießen retten zu wollen.
Quelle: zeit.de
Heute spielen noch HFC - Wolfsburg, KSC - Hannover, Rostock - Stuttgart und Cottbus - Bayern.
Alle bisherigen Ergebnisse ---> https://www.dfb.de/dfb-pokal/spieltag/?no_cache=1
Elfmeterschießen ist doch keine Lotterie, die HSV-Fans umarmen Bakery Jatta und Schalke findet keinen Umgang mit dem Fall Clemens Tönnies. Alles zur ersten Pokalrunde.
Gab es genügend Überraschungen?
Die erste Pokalrunde ist nur schön, wenn genügend Bundes- oder Zweitligisten gegen Halbprofis oder Dorfkicker rausfliegen. Diesmal erwischte es immerhin zwei Erstklassige. Der FC Augsburg verlor beim SC Verl (bei Bielefeld) 1:2. Der Viertligist war die bessere Mannschaft, der Bundesligist brachte nur ein Elfmetertor zustande. Und Mainz schied im Rheinland-Pfalz-Derby in Kaiserslautern mit 0:2 aus. Die Roten Teufel ließen sich bei ihrer Feier nicht dadurch stören, dass sie vom Fifa-Schiedsrichter Felix Zwayer einen Elfmeter geschenkt bekommen hatte. Auch zwei Zweitligisten erwischte es. Fürth unterlag beim klassentieferen Duisburg 0:2. Regensburg konnte im Saarbrücker Regen eine 2:1-Führung nicht nutzen und nahm in der Nachspielzeit das 2:3 gegen den Regionalligisten hin. Die Heimfans gerieten aus dem Häuschen und jubelten mit ihren Schirmen. In den anderen Spielen setzten sich die Favoriten durch, allerdings wurde es oft knapp. Gladbach, Leipzig, Paderborn, Köln, Nürnberg, Hamburg, Hoffenheim, Düsseldorf und Köln gewannen jeweils nur mit einem Tor Vorsprung oder in Verlängerung oder Elfmeterschießen. Vielleicht erwischt es ja an diesen Montagabend noch die Bayern in Cottbus.
Welches Spiel war das coolste?
Waldhof Mannheim gegen Eintracht Frankfurt. In den Achtzigerjahren war der SV Waldhof ein Kultclub in der Bundesliga. Trainiert wurde die Mannschaft vom Pepitahutträger Klaus Schlappner, der 1968 aus Protest gegen die 68er für kurze Zeit in die NPD eintrat. Aus der Waldhof-Schule kamen Nationalspieler wie Jürgen Kohler, Christian Wörns und Maurizio Gaudino. Nach einem Absturz in den Amateurfußball ist Mannheim inzwischen wieder in der Dritten Liga. Gegen die Eintracht ging Waldhof, im schönen traditionellen Hellblau, erst 2:0, dann später 3:2 in Führung. Es war nur noch eine Viertelstunde bis zur Sensation, doch dann zeigte Frankfurts Vizeweltmeister Ante Rebić seine Stärken. Er erzielte einen Hattrick, wobei der letzte Treffer zum 3:5 besondere Finesse hatte. Erst ließ der Kroate mit einer Finte den Tormann stehen, dann, mit einer weiteren, noch einen Abwehrspieler ins Leere grätschen. Gute Stimmung auch in den Kurven. Das lag weniger am Leichtbier, das in Mannheim ausgeschenkt wurde, sondern mehr an der Fanfreundschaft zwischen den beiden Vereinen. Die sich, weniger romantisch, aus dem Hass auf Offenbach speist.
Wer stand im Blickpunkt?
Bakery Jatta. Der HSV-Profi, der 2015 als Flüchtling nach Deutschland kam und sich jünger gemacht und seinen Namen geändert haben soll, stand in der Anfangself beim Spiel in Chemnitz. Die Hamburger Fans applaudierten, als sie davon im Stadion erfuhren. Kapitän Aaron Hunt, der den gleichen Berater hat wie Jatta, schrieb zuvor auf Instagram: "Hier wird ein Profi vorverurteilt, der eigentlich nie eine Chance hatte und sie trotzdem nutzte. Der auf der Flucht war, um ein Stück von dem zu erleben, was für uns normal ist." Seine Kritik zielte auf Bild und Sport Bild, die vergangene Woche festgestellt haben wollten, dass Jatta eigentlich Daffeh heißt und zwei Jahre älter ist. Ob das stimmt und was die Gründe dafür sein könnten, ist bislang nicht klar. Unter den Fans scheint sich die Auffassung durchgesetzt zu haben, dass es egal ist, wie Jaffa/Daffeh heißt, wo er vorher gespielt hat und wie alt er ist. Hauptsache, er ist ein wichtiger Teil des HSV. Solidarität erlebte auch Daniel Frahn. Der Chemnitzer FC hatte sich vorige Woche von seinem Kapitän getrennt, weil der einer rechtsextremen Fangruppe nahesteht. Immer wieder erklangen im Stadion Sprechchöre auf Frahn. Es war auch "Widerstand" zu hören. Fußball wurde auch gespielt: Der HSV siegte auch hier.
Worüber reden nach dem Wochenende alle?
Über Clemens Tönnies, den eigenen Worten zufolge praktizierenden Großwildjäger. Erwartungsgemäß protestierten viele der nach Drochtersen gereisten Schalker Fans gegen den Aufsichtsratschef sowie die Milde des Schalker Ehrenrats mit Tönnies und seiner Bemerkung über "Afrikaner, die, wenn es dunkel wird, Kinder produzieren". Auf Hunderten von Bannern war zu lesen: "Wir zeigen Tönnies die Rote Karte." Der neue Schalker Sportvorstand Jochen Schneider äußerte einerseits Verständnis für die Fans, warnte aber vor einer "Hetzjagd". Dieses durch Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen belastete Wort ist nun in der Bundesliga angekommen – und Schneider beschrieb damit einen friedlichen Protest. Der Fall Tönnies weitet sich aus, inzwischen gilt die Empörung auch dem hilflosen Umgang der Vereinsführung mit dem Thema, die offenbar aus Tönnies das Opfer machen will. Tönnies schwieg am Wochenende, sodass seine viertelherzige Entschuldigung kurz nach seiner Rede vor der Handwerkskammer Paderborn-Lippe seine einzige Wortmeldung bleibt. Hans Sarpei hingegen führt die Debatte fort: "Natürlich kann man sich entschuldigen", schrieb der in Ghana geborene Schalker Ex-Profi auf Twitter, "aber dann sollte man es auch bei denjenigen machen, die man rassistisch in Kolonialmanier beleidigt, und nicht bei Dritten. Sorry, Jochen Schneider, aber diese Äußerung ist einfach nur schlecht und uninformiert."
Welche Lehre zieht man aus dem Wochenende?
Elfmeterschießen ist doch keine reine Glückssache oder Lotterie, wie es immer heißt. In fünf Versuchen setzten sich fünf Mal die klassenhöheren Mannschaften durch. Hoffenheim in Würzburg, Hamburg in Chemnitz, Köln in Wehen, Paderborn in Rödinghausen und St. Pauli in Lübeck. Ist ja auch eigentlich keine Überraschung, denn bessere Fußballer schießen in der Regel nun mal bessere Elfmeter, stärkere Tormänner halten in der Regel mehr Elfmeter als ihre schwächeren Konkurrenten. Vielleicht ist es für den Kleineren also keine gute Strategie, sich ins Elfmeterschießen retten zu wollen.
Quelle: zeit.de
Heute spielen noch HFC - Wolfsburg, KSC - Hannover, Rostock - Stuttgart und Cottbus - Bayern.
Alle bisherigen Ergebnisse ---> https://www.dfb.de/dfb-pokal/spieltag/?no_cache=1