Der allerletzte KampfSchon wieder ist ein Boxer an seinen Kopfverletzungen gestorben. Dieser Sport, von Liebhabern romantisch verklärt, sollte radikal verändert oder abgeschafft werden.Hinterher sind dann alle erschüttert. Sie trauern, und ihre Trauer ist echt: Sie alle sind tatsächlich und in tiefster Ernsthaftigkeit schockiert. Wie jung der Mann war, wie edel seine Motive, sein Ehrgeiz. Wie stark, gleichsam unbesiegbar er war, und wie ästhetisch er sich bewegen konnte. So wird hinterher immer geredet in der Welt des Boxens – immer dann, wenn wieder ein Boxer gestorben ist, weil er einmal zu oft zu Boden ging, weil er einmal zu oft am Kopf getroffen wurde. Lou DiBella, Manager oder Promoter, wie die Manager im Boxen heißen, schrieb auch in dieser Woche wieder all die richtigen Sätze. Er schrieb: "Patrick Day ist heute, am 16. Oktober 2019, von uns gegangen. Er erlag den schweren Hirnverletzungen, die er in seinem Kampf am Samstag, dem 12. Oktober in der Wintrust Arena in Chicago, IL, erlitten hatte. Er war umgeben von seiner Familie, engen Freunden und Mitgliedern seines Boxteams sowie seinem Mentor, Freund und Trainer Joe Higgins."
Der Gegner fand gleichfalls die richtigen Worte. "Lieber Patrick Day", das schrieb Charles Conwell auf Instagram, "ich wollte nie, dass dir dies passiert. Ich wollte lediglich gewinnen." Und passiert ist es dennoch, weil es immer wieder passiert. Boxen war stets und ist und bleibt ein Sport, dessen Sinn darin liegt, den Gegner möglichst so zu treffen, dass dieser nicht weitermachen kann, also zu Boden geht, also "k.o." ist. Darum zielen Boxer auf den Kopf ihres Gegners. Und darum starb Patrick Day, 27, Superweltergewichtler, geboren in Long Island. Es ist nun, in den Tagen danach, wie immer, wenn es passiert.
Die Trauerfeier ist emotional. Die Familie ist erschüttert. Geld wird gespendet. Die Sicherheitsvorkehrungen stehen zur Diskussion. Kollegen des Toten und auch der Gegner sagen, dass sie darüber nachgedacht hätten, mit dem Boxen aufzuhören, doch nein, sie tun es nicht, denn "das hättest du nicht gewollt", so sagt es Conwell. Doch nein, nach den Trauertagen sollten nicht mehr alle einfach weitermachen, bis zum nächsten Trauerfall. Es passiert schlicht und einfach zu oft. Es sollte enden: Profiboxen sollte radikal verändert oder aber ganz und gar abgeschafft werden.
Quelle & Weiterlesen: zeit.de